Ausschnitt aus einer Solarzellenfläche
Davon gibt es noch zu wenige: Photovoltaikanlage auf einem Dach

„So viel Sonnenenergie nutzt Ihr Ort“ – unter diesem Titel hat Zeit online gestern einen Artikel mit interaktiven Karten und einer Tabelle veröffentlicht, in denen die eigene mit anderen Gemeinden in Deutschland verglichen werden kann. Schon vor einem halben Jahr hat die Deutsche Umwelthilfe ein Ranking zum Solarausbau veröffentlicht. Wie steht Mülheim an der Ruhr im bundesweiten Vergleich?

Woher stammen die Daten?

Im Juni 2024 hat das Earth Observation Center (EOC) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) einen Online-Atlas veröffentlicht, der das Potenzial für Solaranlagen auf Dächern in Deutschland zeigt. Die Ergebnisse liegen heruntergebrochen bis zur Ebene der rund 20 Millionen Gebäude vor. Zeit online verwendet die Daten auf Ebene der 4 385 Gemeinden. Außerdem wurden die jährlichen Sonnenstunden im Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020 auf Basis von Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) betrachtet.

Die Deutsche Umwelthilfe hat bereits im April ein Ranking zum Ausbau von Solaranlagen (ohne Beschränkung auf Dachanlagen) vorgestellt. Hierin sind nur die 82 Großstädte einbezogen. Die Informationen stammen aus dem Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur.

Links:

Die Stadt Mülheim im Solaratlas EO Solar

Das Solardach-Potenzial in Mülheim an der Ruhr liegt nach den Berechnungen von EO Solar bei 729 GWh pro Jahr. Von diesem Potenzial sind danach tatsächlich nur 3,78 % installiert. Dabei werden 4,97 % der Gebäude genutzt.

Zum Vergleich: Im Integrierten Klimaschutzkonzept der Stadt Mülheim wird der heutige Strombedarf der Stadt Mülheim mit mit 379 GWh pro Jahr angegeben, wobei mindestens von einer Verdopplung bis 2035 ausgegangen wird (S. 36). Das Potenzial an Solaranlagen wird aber deutlich kleiner als von EO Solar eingeschätzt: Insgesamt gibt das Klimaschutzkonzept ein Potenzial erneuerbarer Energien von rund 800 GWh pro Jahr an, wobei aber nur die Hälfte in Solaranlagen auf Dächern gesehen wird (S. 38). Bisher würden 8 % des Potenzials der erneuerbaren Energien genutzt (S. 38). Ich gehe aber davon aus, dass die Daten von EO Solar genauer und aktueller sind.

Zeit online stellt zahlenden Abonnenten die Daten von EO Solar für alle 4 385 Gemeinden in einer sortierbaren Tabelle zur Verfügung. Darin enthalten ist auch die Zahl der jährlichen Sonnenstunden im Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020. Das ergibt die folgende Auswertung für Mülheim:

1 586

Sonnenstunden
im Jahr

4,97 %

der Gebäude haben
eine Solaranlage

3,78 %

des Potenzials
werden genutzt

  • Die Anzahl der jährlichen Sonnenstunden reicht von 1 451 (Winterberg in Nordrhein-Westfalen) bis 1 880 (Nord-Rügen in Mecklenburg-Vorpommern). Mülheim liegt mit 1 586 auf Position 3 513.
  • Der Anteil der Gebäude mit Photovoltaik reicht von 1,1 % (Großbreitenbach in Thüringen) bis 36,3 % (Fremdingen in Bayern). Mülheim liegt mit 4,97 % auf Platz 3 909.
  • Das genutzte Potenzial reicht von 1,1 % (Landschaft Sylt in Schleswig-Holstein) bis 35,9 % (Rackwitz in Sachsen). Mülheim liegt mit 3,78 % auf Platz 4 252.

Mülheim liegt also im Vergleich zu anderen Gemeinden im hinteren Bereich der Nutzung von Solaranlagen auf Dächern. Allerdings ist der Vergleich vermutlich nicht ganz fair. Kleine Gemeinden können beispielsweise durch Nutzung großer Hallendächer schnell zu einer hohen Ausnutzung des gesamten Potenzials kommen, auch wenn auf Einfamilienhäusern nur wenige Solaranlagen installiert sind. Zeit online nennt als Beispiel Rackwitz, den bundesweiten Spitzenreiter bei der Nutzung des Potenzials.

Aber sehen wir uns einmal an, wie Mülheim im Vergleich zu den Nachbarstädten liegt. Duisburg nutzt das Potenzial zu 3,27 %, Essen zu 3,55 %, Oberhausen zu 3,98 % und Ratingen sogar zu 5,07 %. Ratingen sticht leicht hervor, aber ansonsten bewegen sich die Städte in derselben Größenordnung.

Aussagekräftiger ist vielleicht die Auswertung der Deutschen Umwelthilfe.

Die Stadt Mülheim im Ranking der Deutschen Umwelthilfe

Leider sind Zahlen und Methodik der beiden Studien nicht direkt miteinander vergleichbar. Die Deutsche Umwelthilfe betrachtet nicht die im Jahr erzeugte Energie, sondern die elektrische Leistung unter (recht günstigen) Standardbedingungen wie einer Betriebstemperatur von 25 °C und einer Bestrahlungsstärke von einem kW/m2, angegeben in kWp (Kilowatt Peak). Außerdem betrachtet die Deutsche Umwelthilfe die Photovoltaik insgesamt, nicht nur Solaranlagen auf Dächern. Und schließlich wird nicht das Potenzial der einzelnen Stadt betrachtet, sondern der bundesweit erforderliche Zubau von Photovoltaik flächenmäßig verteilt.

Für den notwendigen Zuwachs bis 2035 bezieht sich die Deutsche Umwelthilfe auf eine Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) unter der Prämisse einer Dekarbonisierung bis 2035. Danach müsste Mülheim bis 2035 insgesamt 150 605 kWp vorhalten. Ende 2023 hat Mülheim bereits einen Stand von 27 966 kWp erreicht, das sind knapp 20 %. Wird die Lücke von 122 639 kWp gleichmäßig auf die zwölf Jahre von 2024 bis 2035 verteilt, so ergibt sich ein jährlicher Zubau von 10 220 kWp.

Verglichen mit den beiden Jahren 2022 und 2023 hieße das fast eine Verdopplung des Zubaus ab sofort. Da das vermutlich nicht gelingt, müsste der Zubau also später auf mehr als das Doppelte ansteigen, um das Ziel insgesamt zu erreichen.

Im Ampelsystem der Deutschen Umwelthilfe heißt das: Mülheim bekommt die Bewertung Rot.

Rote Bewertung

Faktor für die notwendige Beschleunigung des Zubaus von Photovoltaik:

1,97

Allerdings kommen die Großstädte in diesem Ranking vermutlich noch zu gut weg. Die Deutsche Umwelthilfe hat den notwendigen Zubau an Solaranlagen für ganz Deutschland flächenmäßig verteilt. Damit müssten Gemeinden mit einer geringeren Einwohnerdichte einen vergleichsweise hohen Anteil am künftigen Zubau schultern. Fraglich ist, ob das möglich ist.

Fazit

Sicherlich haben beide Ansätze Schwächen. Die Gemeinden in Deutschland werden ihr theoretisches Potenzial nicht in einheitlichem Umfang ausnutzen können, und die Städte werden ihren Zubau nicht entsprechend der Fläche vorantreiben. Dennoch haben beide Ansätze ihre Berechtigung: Sie zeigen sehr deutlich, dass wir die Anstrengungen beim Zubau von Photovoltaik deutlich erhöhen müssen. Anders ist die im  Integrierten Klimaschutzkonzept der Stadt Mülheim an der Ruhr angestrebte Treibhausgasneutralität bis 2035 nicht zu erreichen.